Was passiert mit unseren Retouren?

Es braucht keine fünf Minuten. Eine ungeheuer präzise Werbeanzeige wird in unsere Timeline gespült und mit ein paar Klicks haben wir neue Schuhe. Notwendig sind sie nicht, aber im Angebot. Und weil es Mengenrabatt gibt, kaufen wir die passende Tasche gleich mit. Nicht mal das Monatsende kann diesen Vorgang stoppen, dank Portalen wie Klarna und Co. Es ist Fluch und Segen zugleich: Wir können shoppen, egal wo und wann wir es möchten. Und das Angebot ist riesig. Jedes Produkt ist in der gesamten Farbpallette erhältlich und noch dazu in zehn verschiedenen Größen. Allerdings sind diese bei jeder Marke unterschiedlich gemessen, also ist es nie absehbar, wie das bestellte Teil an uns sitzt oder ob es überhaupt passt. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn wir brauchen uns nicht zu entscheiden. Die Händler nehmen uns das wohlwollend ab. So müssen wir uns nicht weiter damit aufhalten, ob wir diese Dinge wirklich brauchen oder welche Größe wir nehmen, sondern können seelenruhig immer mehr Produkte in den Warenkorb schieben. Bezahlt wird später, Retourenschein ist mitgeliefert, keinerlei Aufwand bleibt an uns hängen. Alles was nicht passt, wird auch nicht passend gemacht, sondern zurückgeschickt. Einfacher und bequemer könnte es für uns nicht sein.
Aber was passiert nun mit unserer zurückgeschickten Ware?
Es wäre ja anzunehmen, dass neuwertige und unbenutzte Retouren wieder verpackt und weiterverschickt werden. Was vielen nicht bewusst ist: Ein großer Teil der Rücksendungen landet nicht mehr im Verkauf, sondern auf der Mülldeponie. Eine von „Greenpeace“ beauftragte Studie der Marktforschungsfirma „EHI Retail Institute“ zog im Jahr 2019 dazu eine erschreckende Bilanz. Mehr als die Hälfte der befragten Onlinehändler gaben in der Studie an, viele ihrer Retouren direkt zu entsorgen. Experten schätzen, dass inzwischen jedes Jahr insgesamt etwa 20 Millionen zurückgeschickte Artikel vernichtet werden.
Der Aufschrei in der Politik und Bevölkerung war nach Veröffentlichung dieser Zahlen groß. Denn wie kann es sein, dass eine derartige Verschwendung geduldet wird, in einer Zeit, in der wir uns eine Wegwerfgesellschaft gar nicht mehr leisten können?
Wenn man sich den kompletten Kreislauf mal durch den Kopf gehen lässt, stößt man auf kein anderes Fazit, als dass es reiner Irrsinn ist: Unsere Kleidung wird in weit entfernten asiatischen Ländern unter niedrigsten Bedingungen und einem absurd hohen Verbrauch von knappen Ressourcen hergestellt, quer durch die ganze Welt verschifft, um hier letztendlich unbenutzt in der Müllpresse zu landen. Es ist fast schon ironisch.
Und wie rechtfertigen die betroffenen Konzerne diesen Wahnsinn? Die Antwort liegt wie so oft bei wirtschaftlichen Gründen. Diese sind nachvollziehbar: Pro Jahr werden rund 280 Millionen Pakete zurückgeschickt. Bei Bekleidung ist laut des „EHI“ die Rücksendequote mit durchschnittlich fast 40 Prozent besonders hoch, anderen Angaben zufolge liegt sie noch deutlich höher.
Das Wiederverpacken und Neuverschicken dieser Masse an Produkten ist arbeits- und kostenintensiv für die Onlinehändler.  Es ist also schlichtweg billiger die Retouren wegzuschmeißen. Dieser Vorgang ist nicht nur legal, er wird von der deutschen Rechtslage sogar begünstigt. Das Weiterverkaufen von Retouren ist aus Sicherheits- und

Hygienegründen in vielen Fällen verboten. Auch Spenden rechnen sich nicht, da bei ihnen die Mehrwertsteuer anfällt.
Dass dies nicht die Lösung sein kann, erkannte die Politik nach dem Retouren-Skandal zwar, ein eindeutiges Verbot gegen die Vernichtung der Produkte wurde allerdings nicht formuliert. Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, welche 2020 in Kraft trat, fordert von den Onlinehändlern mehr Transparenz gegenüber dem, was mit ihren Retouren passiert, die Vernichtung der Produkte wird damit allerdings noch lange nicht verhindert.

Wir als Konsumenten können die Retouren auch nicht vor den Mülldeponien retten. Es ist aber möglich, durch unser Konsumverhalten die Menge an Rücksendungen zu reduzieren. Je weniger Neuware in die Lagerhäuser zurückkehrt, desto weniger muss auch vernichtet werden.

Vielleicht nehmen wir die Kontrolle über unsere Entscheidungen lieber wieder an uns und überlegen vorher, welche Farbe unsere Schuhe haben sollen und ob unsere Lieblingstasche nicht doch schon ausreicht. Und wenn etwas doch einmal nicht passt, gibt es ja mittlerweile zum Glück Online-Marktplätze, die den Kleidungsstücken ein zweites Leben schenken können.

Quellen:

ZDF-Mediathek, veröffentlicht am 12.06.2018, unter: https://www.zdf.de/politik/frontal-21/amazon- vernichtet-tonnenweise-ware-100.html (abgerufen am 25.06.2021)
Greenpeace Website, unter: https://gpn.greenpeace.de/ausgabe/0318/vernichten-ist-billiger/
ZDF-Mediathek, veröffentlicht am 12.02.2020, unter: https://www.zdf.de/kinder/logo/neuwertige-retouren- nicht-mehr-vernichten-100.html (abgerufen am 25.06.2021)

Bild: Faz